Hermann Wilhelm „Sputnik explodiert: Bilderwelten einer Haidhauser Kindheit"
Mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferates der Landeshauptstadt München
Obwohl erst wenige Jahre seit Krieg und NS-Diktatur vergangen sind, fällt im Gegensatz zum Alltag der meisten Leute das sich plötzlich modern und avantgardistisch gebende Erscheinungsbild zahlreicher Dinge auf. Möbel, Autos, Mode, Musik, Comics, Filme und Zeitschriften setzen neue Standarts und prägen in manchen Fällen das visuelle Erscheinungsbild bis heute. Überraschend frei und aufregend erscheinen sogar manchmal die Verhältnisse. Die zahlreichen, von uns Kindern als ganz normal empfundenen Ruinengrundstücke, provisorischen Bauten und verwilderten Isaranlagen bieten nahezu anarchisch anmutende Freiräume.
Die Geschehnisse im Dritten Reich aber werfen ihre Schatten auch auf die Kinderwelt. Da gibt es den Selbstmord einer benachbarter Familie, die am Max-Weber-Platz erfolgreich ein kleines Feinkostgeschäft betreibt. Erst viele Jahre später wird klar, dass es sich um eine jüdische Familie handelte, die die Normalität der Nachkriegszeit nach allem Erlebten nicht mehr zu ertragen vermochte.
Die von uns schon als Kinder regelmäßig besuchten, von offiziellen Stellen aber massiv kritisierten Western- und Gangsterfilme aus den einschlägigen internationalen B-Picture-Produktionen laufen im „Astoria-Kino“ an der Ecke Elsässer/Breisacher und im „Thalia“ an der Rosenheimer Straße.
Jede Menge kultureller Weichenstellungen passieren in den 1950er Jahren, als von den USA herüberschwappend Elvis Presley, Jerry Lee Lewis und Chuck Berry mit Nummern wie „Yailhouse Rock“ oder „Whole Lotta Shakin´ Goin´ On“ die alten Nazis, Westerwald-Sänger und Schlagerfuzzis erschrecken.
Auch das Maria-Theresia-Kinderheim am Johannisplatz spiegelt die politisch-sozialen Verhältnisse. Alltäglich marschieren die schwarzen, von ihren GI-Vätern längst verlassenen Buben, in Zweierreihen und bekleidet mit Trachtenjanker, Lederhose und hässlichen, weit über die Knie reichenden, braunen Strickstrümpfen zum Unterricht in der Kirchenschule. Die Kleidung der ABC-Schützen aber sendet schon wieder andere Signale. Überraschend elegant und zivil erscheinen die frisch eingekleideten Schulanfänger 1955. Der mit exakter Bügelfalte versehene Pepita-Anzug meines Freundes Werner ist kein Einzelfall.
Die Ausstellung läuft bis 19. November 2022
Öffnungszeiten der Ausstellung
Do, Fr & Sa von 19:00 bis 21:00 Uhr
So von 15:00 bis 19:00 Uhr
Eintritt
frei
Veranstalter
Hermann Wilhelm